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  • Interview zum Wolf: "Die grauenhaften Bilder sind tief in unseren Köpfen verankert."

    Interview mit Anna Egger, Schafzüchterin aus Oberkärnten

    Wie war das erste Zusammentreffen deiner Schafe mit einem Wolf?

    Anna Egger: "Der erste Wolfsriss, der uns betroffen hat, geschah im Frühjahr 2022. Ort des Geschehens war unsere Heimweide. Paula, eines unserer Mutterschafe wurde dabei, neben drei Lämmern, getötet. Der Wolf hat gerade einmal 1,5 kg Fleisch aus der Brust von Paula gerissen. Er war wohl nicht hungrig."

     

    Welche Auswirkungen hat der Wolf für die Landwirtschaft und Kulturlandschaft?

    Anna Egger: "Unser Handeln ist nun gefragt – es geht darum, was wir wollen. Eine von Schafen gepflegte Kulturlandschaft, friedliche, harmonische, im Einklang mit der Natur grasende Schafe oder verschreckte, blutverschmierte, zerrissene und verletzte Weidetiere. Unsere Landwirtschaft im Berggebiet ist stark bedroht. Wenn es so weitergeht, wird sich dort, wo einst Kühe und Schafe friedlich grasten, nur noch Gestrüpp, Wald und Wolfsgeheul vorfinden lassen."

     

    Wie habt ihr den Sommer als Familie heuer erlebt?

    Anna Egger: "Wir haben uns stets darauf gefreut unsere Zeit mit den Schafen auf der Alm zu verbringen. Das Nachschauhalten war das Schönste. Mein Papa hat immer gesagt: „Auf da Olm ba meine Schof, do bin i am liabstn, wenn i sig wia guats denen do obm geht und wia z‘friedn de sen, donn geht‘s mia a guat, mia hom‘s so schen, i mecht mit kan König tauschen“. („Auf der Alm bei meinen Schafen, da bin ich am liebsten, wenn ich sehe, wie gut es denen da oben geht und wie zufrieden sie sind, dann geht’s mir auch gut, wir haben es so schön, ich möchte mit keinem König tauschen“)." Der Sommer in diesem Jahr war geprägt von der ständigen Sorge um unsere Schafe und die Angst, wieder eines zu finden, welches vom Wolf erwischt wurde. Die grauenhaften Bilder sind tief in unseren Köpfen verankert. Wir bemühen uns jede freie Minute bei den Schafen zu verbringen, am liebsten würden wir Tag und Nacht dabei sein, um sie irgendwie zu schützen. Doch die Wahrheit ist, als Landwirtin hat man auch noch andere Pflichten zu erfüllen. Letztlich können wir den Schafen nicht Schritt für Schritt mit einem Zaun folgen und sie damit auch noch einengen, unnötig stressen und ihre Weidezeit einschränken."

     

    Wie wirkt sich die Präsenz des Wolfes und die Attacken durch diesen auf die Herde aus?

    Anna Egger: "Man bemerkt die Unruhe und Unsicherheit der Einzeltiere. Vor den Wolfsangriffen war die Herde meist mehrere Tage am selben Ort, sie grasten dort und wanderten dann weiter. In diesem Jahr war die Herde völlig zerstreut. Wir setzen mehrere GPS-Geräte ein, um die Herde orten zu können. Wenn sie über Nacht weite Strecken zurückgelegt haben, dann ist das ein sicherer Hinweis für einen Angriff durch den Wolf."

     

    Wie geht man mit den verletzten Tieren um?

    Anna Egger: "Nicht alle der verletzten Tiere finden wir rechtzeitig. Ein schwer verletztes Lamm mit ca. 30 kg haben wir rechtzeitig entdeckt. Ich habe es auf meinen Schultern über eine Stunde lang zum Auto getragen, um es nach Hause zu bringen und versorgen zu können. Viele der verletzten Tiere kämpfen tagelang und verenden dann aber doch, da sie im weitläufigen Gebiet schwer zu finden sind."

     

    Wie behält man den Überblick über die Herde?

    Anna Egger: "Es ist tatsächlich kaum möglich, den Überblick zu bewahren. Wenn so regelmäßig und in größerer Anzahl Schafe gerissen werden ist es schwer zu sagen, welche betroffen sind, welche sich verstecken. Meist findet man nicht mal mehr die Ohrmarken. Wollreste sind meist das einzige Überbleibsel."

     

    Wie stehst du zu Herdenschutz?

    Anna Egger: "All jene, die uns Tipps und Tricks zum Herdenschutz mitteilen wollen, lade ich ein es direkt bei uns am Hof oder auf der Alm umzusetzen. Wir sind immer offen für neue innovative Ideen, doch ohne tatkräftige, dauerhafte Unterstützung bringen die vielen innovativen Ideen nichts. Wir haben uns auch Gedanken zu Herdenschutzhunden gemacht – Tatsache ist aber, dass seit dem ersten Wolfsangriff nicht mal mehr unser Hofhund sich der Herde nähern kann ohne diese in Unruhe zu versetzen. Wie lange dauert es dann, bis ein Herdenschutzhund tatsächlich zum Einsatz kommen kann? Ein Hirte wäre durchaus eine Möglichkeit. Aber die Kosten sind einfach zu hoch. Selbst wenn man einen Großteil der Schafe verkauft, der Erlös würde nur für den Hirten gebraucht werden, da hat man noch nichts für den Betrieb erwirtschaftet."

     

    Welche Gedanken gehen einem als Landwirtin durch den Kopf?

    Anna Egger: "Von Job kündigen und bei den Schafen schlafen, bis alles an den Nagel hängen und die Existenz als Schafbäuerin aufgeben - ist alles dabei. Wir wissen nicht, ob wir eine klar definierte, umsetzbare und finanzierbare Lösung finden werden. Wenn monatlich zehn bis 20 Schafe gerissen werden, wie es in diesem Sommer der Fall war, dann ist dieser Verlust kaum tragbar. Wir sind eine große Familie und voll motiviert – aber selbst für uns ist die zusätzliche Arbeit, die durch den Wolf entsteht, nicht schaffbar."

     

    Steckbrief

    • Name: Anna Egger
    • Alter: 25 Jahre
    • Betriebsform: Bio-Schafzucht
    • Betriebsstandort: Stall im Mölltal, Seehöhe: 1.100 Höhenmeter
    • Rassen: Bergschafe, Juraschafe, Krainer Steinschafe und Kärntner Brillenschafe
    • Tieranzahl: Frühjahr 2022: 161 Stück - Oktober 2022: 78 Stück

    von Martina Erlacher (ÖBSZ)

    Fotos: Anna Egger

    20.12.2022
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