Zuchtwerte – das Werkzeug für den Betrieb
Zuchtwerte sagen etwas über den züchterischen Wert eines Tieres innerhalb seiner Rasse aus. Die Zuchtwerte der österreichischen Zuchtschafe und Zuchtziegen werden jeden Dienstag neu berechnet. Besonders im Bereich der Fleischleistungsprüfung ist eine kontinuierliche Zuchtwertschätzung essenziell, da der Prüfbericht somit immer aktuell den Zuchtwert des geprüften Tieres ausweist. Dadurch können Betriebe aus diesem Prüfbericht umfassende Informationen zur Grundlage der Selektionsentscheidung gewinnen. Auch für Milchschafe und Milchziegen bietet die kontinuierliche Zuchtwertschätzung den Vorteil, dass zu einem früheren Zeitpunkt Zuchtwerte vorliegen.
Überblick Zuchtwerte
- Zuchtwerte als Werkzeug verwenden
- Zuchtwerte eines Tieres sagen etwas über den genetischen Wert innerhalb seiner Rasse aus
- Ein Zuchtwert von 100 bedeutet, dass der züchterische Wert von diesem Tier in diesem Merkmal durchschnittlich ist
- Zuchtwerte über 100 sind züchterisch positiv zu bewerten
- Sicherheiten der Zuchtwerte beachten
- Züchten bedeutet: Nur die besten Tiere sollten Zuchttiere der nächsten Generation werden
- Zuchtwerte sind das wertvollste Selektionskriterium, das ZüchterInnen zur Verfügung steht
Im Zuge der Zuchtwertschätzung werden die Zuchtwerte aller Tiere neu berechnet. Dadurch profitieren alle Rassen von der wöchentlich durchgeführten Zuchtwertschätzung, denn sobald die notwendige Sicherheit der geschätzten Zuchtwerte erreicht ist, werden diese ausgewiesen und sind somit für den Betrieb auf Prüfberichten, in Versteigerungskatalogen sowie auch im Herdenmanagementprogramm sz-Online sichtbar. Zu einer Steigerung der Sicherheit kann es kommen, wenn Eigenleistungen eines Tieres (z.B. eine weitere Ablammung) vorhanden sind oder Daten von verwandten Tieren ergänzt und eingetragen wurden. Die kontinuierliche Zuchtwertschätzung bietet somit große Chancen für Zuchtbetriebe, da Selektionsentscheidungen auf Basis von Zuchtwerten frühzeitig getroffen werden können. Die Zuchtwerte sind ein wichtiges Werkzeug, um die Zukunft der österreichischen Schaf- und Ziegenzucht in gezielte Bahnen zu lenken, hin zu leistungsstarken, langlebigen und gesunden Zuchttieren. Was ist neu bzw. was wurde adaptiert in der Zuchtwertschätzung?
Implementierung einer Zuchtwertschätzung für Nutzungsdauer und Exterieur für Schaf- und Ziegenrassen 2024
Im bisherigen Zuchtziel hat jedoch noch ein wesentliches Merkmal aus dem Komplex der Fitnessmerkmale gefehlt, die Nutzungsdauer. Auch eine Exterieur-Zuchtwertschätzung (ZWS) war auf Grund verschiedener Probleme bei den Daten bzw. der Datenstruktur bislang nicht möglich. Im Rahmen des vom Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft finanzierten Projekts NExt wurden in den letzten Jahren in Kooperation von PD Dr. Birgit Fürst-Waltl (BOKU), Dr. Christian Fürst (ZuchtData) und dem ÖBSZ moderne Zuchtwertschätzverfahren für Nutzungsdauer und Exterieur entwickelt und am 25. Juni 2024 offiziell eingeführt.
ZWS NUTZUNGSDAUER
Für alle Schaf- und Ziegenrassen, für die bereits davor eine Routine-ZWS durchgeführt wurde und die damit eine entsprechende Populationsgröße aufweisen, wurde eine Zuchtwertschätzung für Nutzungsdauer eingeführt. In Abhängigkeit der Nutzungsrichtung wurden zwei verschiedene Zielmerkmale definiert. Bei Milchrassen sind dies die Anzahl Lebenstage in bestimmten Abschnitten ab der ersten Ablammung/Abkitzung, korrigiert auf das Leistungsniveau innerhalb der Herde. Für Rassen ohne Milchleistung wurde als Zielmerkmal die Anzahl an Ablammungen bzw. Abkitzungen in bestimmten Abschnitten definiert. Es werden alle Informationen bis 8 Jahre nach der 1. Ablammung/Abkitzung in der ZWS genutzt. Die Erblichkeiten für den Nutzungsdauer-ZW (ND) liegen je nach Rasse zwischen 5 und 13%. Die Mindestsicherheit für die Veröffentlichung ist 20%.
ZWS EXTERIEUR
Zusätzlich wurde eine Zuchtwertschätzung für Merkmale der linearen Exterieurbeschreibung für die Rassen Gemsfärbige Gebirgsziege, Saanenziege, Tiroler Bergschaf, Merinolandschaf und Juraschaf/SBS implementiert. Da die Exterieurbewertung in ihrer bisherigen Form nicht als Grundlage zur Berechnung aussagekräftiger Zuchtwerte verwendet werden kann, wurde eine lineare Beschreibung eingeführt. Die Datenerhebung erfolgt durch geschultes Personal der Zuchtorganisationen. Es werden über 20 Parameter sowie leichte und schwere Mängel erhoben, woraus eine objektive Beschreibung der Tiere resultiert. Die Zuchtwerte der Einzelmerkmale werden vorerst nicht veröffentlicht, werden aber für die Schätzung der Hauptnoten verwendet. Die Widerristhöhe wird nicht in der Rahmennote berücksichtigt, da größere (höhere) Tiere nicht dem Zuchtziel entsprechen. Zusätzlich wird auch ein Exterieurwert (EXT) aus den veröffentlichten Hauptnoten errechnet (Tab. 1). Die Erblichkeiten für den Exterieurwert liegen je nach Rasse zwischen 7 und 16%.
Folgende Kriterien für die Veröffentlichung werden gewählt:
- männlich: Mindestsicherheit 20% und mind. 1 Nachkomme beschrieben
- weiblich: Mindestsicherheit 20% oder beschrieben
Tabelle 1: Gewichtung (in %) der Hauptnoten im Exterieurwert (EXT)
Merkmal
JU
ML
TB
Merkmal
SZ, GG
Typ
20
10
20
Rahmen
20
Rahmen
20
15
15
Form
20
Form
10
20
15
Fundament
25
Fundament
25
25
25
Euter
35
Wolle
10
10
15
Bemuskelung
15
20
10
GESAMTZUCHTWERT UND FITNESSWERT
Die Nutzungsdauer (ND) wird bei allen Rassen als Zuchtzielmerkmal angesehen und wird daher in den Fitnesswert (FIT) bzw. in den Gesamtzuchtwert (GZW) einberechnet. Die Exterieurmerkmale werden nur bei den Rassen Juraschaf/SBS, Merinolandschaf und Tiroler Bergschaf in den GZW einbezogen. Die neue Gewichtung der Merkmale im GZW bzw. FIT (Fitnesszuchtwert) ist in Tabelle 2 zu finden.
Durch die teils deutliche Änderung der Gewichtungen im GZW bzw. FIT ist es auch zu teilweise deutlichen ZW-Änderungen gekommen. Übergeordnetes Ziel der Erweiterung der derzeitigen Zuchtwertschätzung ist die langfristige züchterische Verbesserung der österreichischen Schaf- und Ziegenrassen hinsichtlich der Nutzungsdauer sowie von relevanten Exterieurmerkmalen.
Tabelle 2: Wirtschaftliche Gewichtung (in %) der Merkmale im Gesamtzuchtwert (GZW) (bei Rassen mit Gewichtung von zumindest 2 Komplexen) bzw. Fitnesswert (FIT)
SCHAFE
ZIEGEN
Merkmale
Milchschafe
OM, LAFleischschafe
SK, SU, TE, DO, IF, BCML
JU
TB
BB, TS
BS, KS, WS
SH
Milchziegen
BE, GG, SZ, TZBZ, TA, PZ
MILCH
50
50
FLEISCH
60
35
FITNESS
50
40
50
70
60
100
100
100
50
100
EXTERIEUR
15
30
40
OM: Ostfriesisches Milchschaf, LA: Lacaune, SK: Schwarzköpfiges Fleischschaf, SU: Suffolk, TE: Texel, DO: Dorper, IF: Ile De France, BC: Berrichon du Cher, ML: Merinolandschaf, JU: Juraschaf/SBS, TB: Tiroler Bergschaf, BB: Braunes Bergschaf, TS: Tiroler Steinschaf, BS: Kärntner Brillenschaf, KS: Krainer Steinschaf, WS: Waldschaf, SH: Shropshire, BE: Bunte Edelziege, GG: Gemsfärbige Gebiergsziege, SZ: Saanenziege, TZ: Toggenburger Ziege, BZ: Burenziege, TA: Tauernschecken, PZ: Pinzgauerziege
Tabelle 3: Wirtschaftliche Gewichtung (in %) der Merkmale im Fitnesswert (FIT)
SCHAFE
ZIEGEN
Merkmale
Milchschafe
OM, LAFleischschafe
SK, SU, TE, DO, IF, BCML
JU
TB
BB, TS
BS, KS, WS
SH
Milchziegen
BE, GG, SZ, TZBZ, TA, PZ
ND
30
37,5
30
42,9
50
30
30
30
30
30
ELA
2,9
3,3
2
ZLZ
7,5
20
14,3
10
12
12
10
GEB
12
27,5
24
20
18,3
30
38
45
12
45
LEB
6
12,5
16
11,4
10
16
20
25
6
15
GEBp
10
6
5,7
5
7
LEBp
5
4
2,9
3,3
3
ZZ
30
30
PER
22
22
Autor:innen: Christian Fürst (ZuchtData), Birgit Fürst-Waltl (Boku) und Roland Taferner (ÖBSZ)
27.12.2024Zurück